Rennbericht Matthes

Ironman 70.3 Mallorca

Bin ich eigentlich bescheuert mich als Seepferdchen, noch nie auch nur einen kleinen Triathlon selbst bezwungen, beim Ironman 70.3 Mallorca anzumelden? Vermutlich schon, aber vernünftig ist doch auch langweilig. 1,9km Schwimmen im Meer, 90,1 km Radfahren mit 900 Höhenmetern, danach noch einen 21,1km Halbmarathon Laufen. In den vergangenen Jahren immer zufällig im Urlaub als Zuschauer dort gewesen, habe ich mir immer geschworen da selbst mal teilzunehmen und auch zu finishen.

Auf einmal ist Februar und ich habe nur noch 3 Monate Zeit irgendwie Kraulschwimmen zu lernen, das den Namen im Ansatz verdient. Bereits im Winter immer den bevorstehenden, drohenden, respekteinflößenden Klopper „Ironman Mallorca“ im Kopf, hieß es, regelmäßig Rad fahren und Laufen. Gerne auch in Kombination, sofern es das Wetter zulässt. Oft blieben nur kurze Einheiten übrig. Diese jedoch regelmäßig oder mit höherer Intensität durchgeführt. Triathlon Trainingsplan? Nein, einfach machen und trainieren. Kraft im Fitti aufrecht erhalten und regelmäßig Ausdauereinheiten machen und gesund essen.

Plötzlich ist März. Das ist gut zum Radfahren und Laufen, aber ich kann immer noch nicht Schwimmen und habe nur noch zwei Monate Zeit. Keine Panik, ich habe doch schon ganz andere Sachen geschafft?! Nein, eigentlich nicht ansatzweise 6 Stunden Sport am Stück, dazu auch noch mit Schwimmen und hinten raus einem Halbmarathon. Egal, easy, ist ja noch Zeit und mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Mit fortschreitendem Frühjahr, mehr Helligkeit zum Trainieren und volleren Vitamin-D Speichern kommt der Trainingsfortschritt fast von selbst, sofern ich am Ball bleibe. Oft nicht einfach. Wieviel Laufkilometer habe ich diese Woche schon gemacht? Nicht viele. Rad? Auch eher geht so. Schwimmen? Immernoch kacke aber wird langsam besser. Technik kaum da. Die Kondition und im Fitti gewonnene Armkraft muss es richten. Was habe ich mir da bloß eingebrockt? Egal, es wird geil und ich werde es packen.

Plötzlich ist es Ende April. Die längsten Laufeinheiten waren so 12km, davon auch nur drei Stück, ansonsten viele kleinere Einheiten nach dem Radfahren, dafür auch von der intensiveren Natur. Mehr hätten die Knie wohl auch nicht gut verpackt. Rad? Ein paar 50-60km Runden, sonst auch eher Firlefanz. Schwimmen noch immer nicht effizient und zu anstrengend, aber es ist für nur 3 Monate Training bei fast 0 angefangen akzeptabel. Zur Not brauch ich halt ne Stunde und komme als letztes aus dem Wasser. Auch egal.

Also im Mai ab nach Malle mit Dine, Julia und Sascha. Dienstag am 09.05. hingeflogen, am Samstag den 13.05. wird es ernst. Mittwoch und Donnerstag noch zwei schöne 70 km Radeinheiten, unter Anderem zum Cap Formentor. Der Kopf ist hier noch frei und die Grundlage wird nochmal angereizt und ausgebaut.

Donnerstag und Freitag heißt es bereits einchecken und registrieren. Auf ging es zum Ironman Boulevard in Alcudia. Eine ganze Zeltstadt aufgebaut im Namen des Ironman und ich inmitten all der professionell anmutenden Triathleten, die schwimmen können und scheinbar wissen was sie dort tun. Die Atmosphäre schwankt zwischen aufgeregt und cool. Man kommt mit anderen Athleten aus anderen Ländern ins Gespräch.

Alle vereint im Namen des Sports, mit dem gemeinsamen Ziel das Ding zu finishen und unmenschliches zu vollbringen. Es ist geil hier zu sein zwischen den ganzen Freaks.

Freitag Abend. Grillen, Speicher aufladen, mental klarkommen. Ein halbes Glas Rotwein zur Beruhigung. Es funktioniert nicht. Schlafbooster ins Gesicht geschüttet. Viel zu spät ins Bett. Aufregung macht sich breit. Es folgen große Gänge zum Klo um 1, 2 und 3 Uhr nachts, wo ich eigentlich tief schlafen sollte. Mist, im wahrsten Sinne. Ist das ein gepflegter Dünnpfiff oder Aufregung? Kann ich so überhaupt teilnehmen? Zweifel machen sich breit. Um 5:30 Uhr geht der Wecker, f*ck. Viel geschlafen habe ich nicht. Macht es Sinn so überhaupt an den Start zu gehen? Naja, Verdauung geht nun klar. Einmal völlige Entleerung. Nun Ruhe, also gibt’s keine Ausreden. Ab in den Bulli und mit den Anderen ab zum Start. Eben noch den Amino-Stimulanzien-Kräuter-Booster in die Visage geschüttet. Der Körper kommt langsam auf Touren. Von Übermüdung ist langsam nichts mehr zu spüren.

Für Julia, Dine und Sascha geht’s in genannter Reihenfolge übrigens als Staffel an den Start. Die Distanzen für jeden Einzelnen sind schlimm genug, aber ich werde das gleich alleine absolvieren müssen. Noch nie im Training ansatzweise angetestet, noch nie Open Water geschwommen, wird sich zeigen, ob ich mich richtig eingeschätzt oder mir zu viel zugemutet habe.

Irgendwas um die 8:00 Uhr. Ich stehe mit Neopren Anzug am Strand unter der aufgehenden Sonne. Wetter ist perfekt. Schon über 20 Grad, so wie ich es mag. Das Meer ist ruhig.

Die Schlangen und Startgruppen bilden sich auf dem Weg in Richung Wasser. Ich nähere mich einem großen aufgepumpten Torbogen. Es wird verdammt nochmal ernst. Ich stehe plötzlich in einem Metallgatter, die Gruppen werden geteilt und in Sekundentakt ins Wasser gelassen. Noch wenige Leute vor mir, auf einmal stehe ich vorn, den Blick frei auf das Wasser. Die Helfer stehen am Start und lassen die Leute koordiniert los.

Tres, dos, uno – ab gehts. Losrennen ins Meer, möglichst viele Meter zu Fuss machen um möglichst wenig schwimmen zu müssen. Das Wasser hat nur 18 Grad aber der Neo ist schön aufgewärmt von der Sonne, die immer weiter oben am Himmel steht und wärmt. Das kalte Meerwasser zieht sich durch die Lücken auf die Haut, da hilft nur Schwimmen zum aufwärmen. Die Wendeboje ist übel weit entfernt vom Ufer. Ab mit dem Kopf ins Wasser und Zug für Zug schwimmen. Neben mir befinden sich hunderte andere Menschen in Badekappe und Neopren-Anzug. Was für ein Wahnsinn findet hier gerade statt? Ok, das müssen jetzt so 200 Meter gewesen sein, aber die Boje kommt nicht näher. Ich bin außer Atem, orientierungslos und sehe die Boje nicht. Schei**e, komme ich hier jemals wieder heile raus? Ich schwimme zwischendurch Brust um den Blick nach vorne auf die Boje richten zu können und um den Puls etwas runterzukriegen. Ich fühle mich schlecht, bin aber gut dabei und überhole sogar einige Leute im Wasser. Was ist hier los? Ich bin doch nicht der mieseste Schwimmer? Den Rythmus findend, die einsetzende Fettverbrennung nutzend, ziehe ich meine Bahnen in Richtung Boje. Endlich ist sie da, es wird plötzlich eng im Wasser inmitten all der Menschen. Jetzt noch 100 – 200 Meter weiter zur anderen Boje, danach ist Wendepunkt und es geht Richtung Strand zurück! Endlich, die Hälfte geschafft, von nun an gehts mit jedem Zug etwas näher zurück ans rettende Ufer. Zug für Zug, zwischendurch etwas Brust, den Blick schweifen lassen, wieder ab auf den Boden schauen und weiter durchziehen.

Der Sandboden kommt plötzlich näher, das Ufer ist nah. Meine Füße spüren Sandboden, endlich geschafft, nach respektablen 39 Minuten. Raus aus dem Meer, raus aus dem nassen Neo und ab auf das geliebte Rad. Das Aus- und Anziehen gestaltet sich ganz schön schwierig, der Sand muss von den Füßen runter, Sonnencreme auf die Haut, das kalte Wasser schlägt mir auf die Blase, also Anziehen und ab ins Dixi-Klo.

In der Wechselzone viel Zeit gelassen um etwas runter zu kommen. Das Bike geschnappt, die elendig lange Wechselzone lang gelaufen und endlich am Anfang der Radstrecke angekommen. Rauf auf’n Sattel und ab gehts. Direkt mal viel Trinken und einen Riegel ins Gesicht schieben, denn der Energiehaushalt wird nun entscheidend sein. Erwähnte ich Trinken? Die Sonne brennt schon ganz schön von oben auf uns Teilnehmer herab. Trinken nicht vergessen. Vorbei gehts an der wunderschönen Bucht von Alcudia. Kurz mal den Blick zum Meer richten, das sorgt für positive Gedanken für die noch bevorstehenden Stunden der Tortur. Ich überhole viele Radfahrer auf dem Weg nach Port de Polenca, sauge mich von Fahrer zu Fahrer dem Anstieg nach Lluc entgegen. Runter in die Aero-Position, klein machen gegen den Wind, und dem Horizont entgegen. Langsam wird es wellig im Profil, die erste Trinkflasche ist leer. In Polenca schnell eine neue Flasche geschnappt geht es nun Richtung Tramuntana Gebirge und zum Kloster Lluc hoch. Meine Stärke beginnt hier nun. Ich überhole Fahrer für Fahrer und spule mich den Berg hoch. Penibel auf den Puls, die Atmung achtend versuche ich in einem moderaten Bereich zu bleiben. Anstrengend ist es allemal. Die Straße schlängelt sich das Gebirge hinauf. Trotz bewusster Flüssigkeitsaufnahme macht sich ein Kopfdröhnen breit, das bis zum Laufen anhalten wird. Egal, besser Kopfschmerzen als Beine zu. Die fühlen sich den Berg hoch gut an.

Kurz vor dem Gipfel erblicke ich Dine. Es tut gut ein mir vertrautes Gesicht zu sehen in dieser Schlacht gegen den inneren Schweinehund, in dieser mir neuen Herausforderung Triathlon. Gegenseitig ein paar motivierende Worte gewechselt ging es auf die Abfahrt. Mir war nun bewusst, sollte ich nicht stürzen oder einen technischen Defekt bekommen, würde ich das Ding heute finishen. Die Zweifel waren weg. Ich habe sie irgendwo unten vorm Gebirge hinter mir gelassen und habe sie abgehängt. Abfahrt: Entweder können Triathleten nicht bergab fahren, oder ich fahre zu schnell. Ich versuche vorsichtig zu fahren, überhole aber immernoch sehr viele Leute auf dem Weg ins Tal. Serpentine nach Serpentine geht es abwärts. Man durchfährt ein kleines inländisches Dörfchen mit schlechten Straßen. Es ächzt ordentlich im Carbon-Gebälk. Hoffentlich hält das Material. Hier und da ein paar Steigungen, Kreisverkehre, Kurven, Ortschaften.

Essen, Trinken, Verpflegungszone. Cola war eine miese Idee und sorgt direkt für hübsche Bauchschmerzen. Kommt gut bei zusammengekauerter Aero-Lage auf dem wenig komfortablen Rennrad. 60km sind geschafft. Es geht raus aus der Zivilisation, hinauf auf Feldwege und elendig lange Landstraßen. Monotonie untermauert von beachtlichem Gegenwind macht sich breit. Die letzten 30km ziehen sich und sind eine mentale Reifeprüfung. Die Strecke ist nun richtig langweilig und eintönig. Es geht nicht schnell genug vorwärts und der Gegenwind nervt. Der Puls pendelt sich bei 145 Schlägen ein. Easy going, das Laufen wird noch fies genug. Alcudia ist ausgeschildert, nun ist es nicht mehr weit. Eigentlich mag ich Laufen nicht gern, aber nach 90km Rad freue ich mich auf diese Abwechselung. Ab aufs kleine Blatt, nochmal die letzten 2 Kilometer locker ausrollen und die Beine ausschütteln. Nach 3 Stunden 10 Minuten runter von der Mühle, nochmal ab ins Dixi und dann auf Laufschuhe wechseln. Die ersten Meter fühlen sich fast befreiend an nach 90km auf dem Fahrrad. Doch eines fehlt nun enorm, wie ich schnell feststelle: Der Fahrtwind. 26 Grad, Sonne, kaum Schatten. Es dröhnt im Kopf, obwohl bislang schon ca. 3,5 – 4 Liter durch den Hals geflossen sind. Ich arbeite mich von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation. Stückchen Banane, Orange, Wasser, und siehe da, ein Stand mit Red Bull. Rein datt Zeuch für den letzten Boost.

Sascha schließt bei Kilometer 9 auf mich auf und wir quälen uns die restliche Distanz zusammen Richtung Ziel. Ich bin froh über jeden Touri der mit Wasserpistolen auf mich schießt oder mich auf jede erdenkliche Art und Weise mit Wasser nass spritzt. Was eine Wohltat. An meinen Füßen klebt noch Sand, der nun nach 9 km ordentlich scheuert. Es bilden sich schon jetzt Blasen, 12 km vorm Ziel. Egal, die werden mich nicht aufhalten, das Ding wird in jedem Fall gefinisht. Die Kniegelenke tun weh, die Fußgelenke tun weh. Oh, Kilometer 13, nun auch die Hüfte. Aber es ist schon mehr als die Hälfte geschafft. Was sind schon 8 Restkilometer bei der gesamtdistanz? Kilometer 14, letzte von drei Runden steht an. Noch einmal vorbei am Strand, über die elendig lange monotone Allee in Alcudia, vorbei an den Hotels und Strandbars.

Es wird verdammt zäh, wir nehmen Verpflegung an jeder Station ein, aber pushen uns gegenseitig und lenken uns durch kurze Sätze von der Qual ab. Noch 3 Kilometer.

Sofern kein Meteorit auf mich herabregnet werde ich das Ding finishen, kein Zweifel. Mit jedem Schritt tut es etwas mehr Weh, aber die letzte Kehre ist nah. Wir sehen den Zielbogen wo Dine und Julia auf uns warten. Holla die Waldfeh, habe ich das wirklich geschafft? Noch 50 Meter, abbiegen auf den Zielbogen, die motivierte Frau am Mikro schreit unsere Namen heraus. Die letzten Schritte dann ist es geschafft. Hoch die Arme und den Emotionen freien lauf lassen.

YEEAAAH!!! „ I did it!“

Als Iron-Virgin nach 2h16min Laufen, und nach 6 Stunden 37 Minuten Geamtzeit das Projekt Ironman 70.3 Mallorca erfolgreich beendet. GEIL! Was für eine Gefühlsexplosion und unbeschreiblicher Emotionsmix beim Überqueren der Ziellinie. Das ganze wurde nochmal verstärkt durch Dine die im Ziel auf mich wartete und den Moment zusammen mit Julia und Sascha mit mir zelebrierte. Nur wenige Schritte nach dem Ziel folgte mit jeder fortschreitenden Minute der zunehmende Zusamenbruch. Erstmal ne Schale Reis und Obst reinhämmern. Der Muffin ist auch willkommen.

Knie und Füße sind tot. Was für ein Wahnsinn und was für eine Erfahrung, weit über die normalen Grenzen der AusDAUER hinauszugehen. Eine Zerreißprobe für das innerste Selbst bestanden zu haben fühlt sich sehr gut an. Auch wenn es an allen Ecken schmerzt. Eigentlich hieß es für mich immer: „Einmal und nie wieder.“ Ich dachte ich sei mies vorbereitet. Doch die Vorbereitung, sofern meine keine besondere Zeitvorgabe an sich selbst hatte, war für mich ok.

Die Anmeldung für 2018 steht definitiv.

Zum zweiten mal bescheuert, ich weiß. ;o)