Jetzt fährt er geschätzt nur noch 0,5km/h schneller als ich. An Daniels Hinterrad kann ich das Tempo mit Sicherheit mitgehen. Ich überlege die Lücke wieder zu zufahren, schalte einen Gang hoch, merke wie sich langsam das Laktat durch die Venen brennt und schalte wieder runter. Eine höhere Frequenz kann ich auch nicht treten. Chance vertan.
Die Zweite Situation in der ich mich mit der nötigen Erfahrung sicherlich anders verhalten hätte.
Ich spule mich also mit knapp 20km/h und 300Watt auf den Pedalen den 4km Anstieg hoch. Auf der Hälfte treffe ich auf einen alten Bekannten Sascha Durrer. Das anfänglich hohe Tempo fordert seinen Tribut. Mit seitlichem Abstand und der Hoffnung von ihm in der Menge an Fahrern, die sich an dem Anstieg komprimiert haben, nicht erkannt zu werden fahre ich unauffällig an ihm vorbei. Den 2. Platz zurückerobert steigt auch wieder meine Motivation. Weit ist es nicht mehr bis nach oben. Ich nutze jeden Fahrer des 75km und wahrscheinlich mittlerweile auch des 150km Rennens, den ich überhole, als Motivationsspritze und treibe mich immer weiter an.
Oben angekommen fahre ich zielstrebig der hohen Acht entgegen. Das Führungsmotorrad ist nicht mehr zu sehen. Daniel zieht das Tempo wohl durch und fährt für sich einen guten Vorsprung heraus.
Mit so viel Schwung wie möglich fahre ich in die Wand der hohen Acht hinein. Die letzten 600m drücke ich das Rad unter mir mit durchschnittlich 360Watt und 15km/h den Hang hinauf. Mein Atem hört sich an wie eine Dampflock. Mein Herz schlägt mit 183 Schlägen gegen meinen Brustkorb. Ich stelle mir den Gipfel als Ziellinie vor. Mit dem Nähern der gesichteten Kuppe verstärkt sich auch in mir die Frage, ob meine Beine nicht gleich Feuer fangen.
Oben angekommen fühle ich mich wie ein Sieger.
Dabei steht noch das letzte Drittel des Rennens an. Die letzten 8km sind aber wahrscheinlich das Drittel was mir anhand meiner Fähigkeiten am meisten liegt. Mit seinem wellenförmigen Profil, verspielten Kurven und kurzen Anstiegen, die man mit Schwung durchdrückt. Zum Ende eine lange Gerade in der man seine Zeitfahrqualitäten nutzen kann. Oder man findet einen Zug der einen mitzieht.
Getrieben von der Jagd der Konkurrenten hinter mir rausche ich die folgenden 7km mit einem Schnitt von knapp 40km/h dem Ziel entgegen.
Auf der langen Geraden finde ich tatsächlich einen Zug. Nur leider werde ich unfreiwillig zur Lokomotive gewählt und sichte bei einem kurzen Blick nach hinten geschätzte 20 Fahrer die sich über meinen Windschatten freuen.
2km vorm Ziel nutze ich die Gelegenheit eines vorbei surrenden E-Bike Fahrers in dessen Windschatten zu sprinten und mich auch einmal ein wenig mitziehen zu lassen. 300 Meter später fährt ein Motorrad neben mir her. Mist denke ich. Steht im Reglement den Windschatten von Fahrern anderer Startfelder nicht nutzen zu dürfen? Machen die anderen doch auch die ganze Zeit.
Verunsichert nehme ich ein bisschen raus und schaue zu dem Motorradfahrer, der mir entgegen ruft:
„Du bist Zweiter?!“
Fragt er mich das oder teilt er mir das mit?
Ich antworte schlicht: „Ja. Das hoffe ich.“
Worauf der Motorradfahrer ruft: „ Dann gibt Gummi. Es ist nicht mehr weit bis zum Ziel!“
Ich schaue nach vorn. Na super. Der E-Bike Fahrer ist weg.
Aber der kurze small talk mit dem Fahrer gibt mir weitere Motivation mich den Rest der Strecke weiter zu quälen und den 2. Platz bis ins Ziel zu retten.
Kurz vor der Startzielgeraden feuern nochmal ordentlich Zuschauer die Fahrer an.
Tolle Atmosphäre!
Da ist es endlich. Weit entfernt sehe ich den Zielbogen. Die Fahrt über die Start-Ziel-Gerade motiviert mich nochmal ordentlich Fahrt aufzunehmen, um auf den letzten Metern nicht doch noch einen Platz zu verlieren.
Kurz vorm Ziel werde ich lauthals empfangen mit den Worten des Kommentators:
„Und da kommt….. Jaaaa… Es ist der Zweitplatzierte des 25km Rennens:
Sascha Kronenberg
Herzlichen Glückwunsch!“
Herzlichen Dank!!!
Ein Atemberaubendes Gefühl nach solchen Strapazen mit Endorphinen überschüttet zu werden. Ich rolle den Rest der Start-Ziel-Geraden aus, mache kehrt und fahre am Rande der Strecke zurück Richtung Boxengasse.
Kurz hinter der Ziellinie empfangen mich die Crownhill Racers Ladys Julia, Dine und unser Hund Isa, die mich bellend bejubelt.
Matthias lag mit meinem Überqueren der Ziellinie ca. 20 Sekunden vor mir und macht sich gerade auf den Weg in seine zweite Runde, um für sich am Ende einen guten, soliden 114. Platz von 539 Fahrern im Gesamtklassement und 50.Platz in seiner Altersklasse heraus zu fahren.